Immer Ärger mit der Demokratie – Eine Kolumne von Peter Grohmann

Immer Ärger mit der Demokratie

Von Peter Grohmann

Erstaunlich, dass die nicht auswandern: Fast 60 % von Befragten behaupten, dass sie wenig bis Null Vertrauen in die Bundesregierung haben und 80 % haben wenig bis Null Vertrauen in die Parteien. Ach, Sahra, viele wünschen sich einen starken Mann – nein, von Frauen ist nicht die Rede – , also einen, der mal richtig durchgreift (er kann auch bissel antisemitisch sein), der Schluß macht mit Genderei und Umvolkung, einen also, die Grenzen abdichtet, der Polizei den Rücken stärkt und endlich was für unsere Leute tut.

So einer ist momentan weit und breit nicht zu sehen, aber was nicht ist, kann ja noch werden. Bis dahin geht ein Teil der Leute protesteshalber nicht wählen, ein anderer Teil wählt falsch und viele dürfen überhaupt nicht. Vornehm gesagt: Die Wahlmüdigkeit nimmt zu, und nicht mal ein Sieg der AfD ist ein Wecker. Drück‘ auf Schlummern statt auf Aufstehn. Nur beim Heizungsgesetz sind alle auf der Gass‘. 

Erinnern Sie sich? 1991 wurde der Besserwessi zum Wort des Jahres, 2014 die „Lügenpresse“ zum Unwort. Mit Lügenpresse ist alles gemeint außer Russia Today, Telegram und „den Medien“: 40 % der gebildeten Menschen im Lande sind sich sicher, dass die Politik den Medien sagt, wo es inhaltlich lang zu gehen hat und Vorgaben für die Berichterstattung mache. Viele glauben darüberhinaus nicht nur an Gott, sondern auch, dass in den deutschen Medien häufig und absichtlich geschwindelt wird. Möglicherweise gehören hierzu auch die Redaktions-Konferenzen von heute schau und Böhmermann. Man merkt: Es fhelen 180 000 LehrerInnen.

Meine Omi Glimbzsch in Zittau würde gern was anderes wählen, wenn was da wäre, vielleicht sogar Kommunismus statt Kapitalismus. „Aber das gibt’s ja nich‘ mal in der Volksrepublik China“, klagt sie und hofft, dass sie noch einen Schuss frei hat. Einen Versuch wär’s ja wert. Die Omi zitiert gern Hannah Arendt und Rosa L., aber auch, päpstlicher als der Papst, Franziskus. Der Römer meinte neulich lapidar: „Kapitalismus tötet!“ Und „… damit das System fortbestehen kann, müssen Kriege geführt werden, wie es die großen Imperien immer getan haben. Einen Dritten Weltkrieg kann man jedoch nicht führen, und so greift man eben zu regionalen Kriegen.“ (Quelle: Lügen-Zeit 13. Juni 2014).

Mundtot gemacht oder draußen ist demnach niemand, der dieses Fass aufmacht. Aber „Draußen“ sind alle, die pennen oder denen das alles am Arsch vorbeigeht – ob es jetzt die Knäste vor den Außengrenzen sind, Mind-destlohn oder Rassismus, die Zunahme von Einfalt und Gewalt, der Tagebau-Abbau von Demokratie und die unausgedrückte Verachtung für Menschenrechte. Draußen ist nur ein empörender Teil der Mitte der Gesellschaft und der Grundkonsens: Dass wir das Grundgesetz und die Verfassung zu schützen haben. 

Peter Grohmann * ist Kabarettist und Koordinator der AnStifter. Wir danken ihm für die Zustimmung zum Abdruck dieser Kolumne.
* peter-grohmann@die-anstifter.de