Max Richard Leßmann – Sylter Welle
Von Hella Koch – Buchhandlung am Amtshaus *
Der Sänger, Lyriker und Podcaster Max Richard Leßmann hat ein Buch über seine Familie geschrieben. Enkel Max besucht seine Großeltern. Omma Lore ist eine ziemlich kalte Frau mit strengen Zügen und einer Grundwut aufs Leben. Hart ist sie gegen jeden, auch sich selbst, und eine Schnäppchenjägerin erster Güte: „Das Sparbuch ist ihr Gotteslob“. Der nicht minder eigenwillige Oppa Ludwig hat einen sehr besonderen Humor.
Seinen Enkel nennt er Ambrosius und wenn er ihn lobt, dann als „fetzige Lerge“. Sein liebstes Universalwort bezeichnet alles und jeden, eben auch die „Enkel-Lerge“.
Max hat die beiden seine ganze Kindheit und Jugend auf dem bodenständigen Sylter Campingplatz besucht. Jetzt fahren die beiden ein letztes Mal nach Sylt, allerdings in die Sylter Welle, eine sterile Bettenburg, in die sie den „unkontrollierten“ (O-Ton Omma Lore) Max noch einmal eingeladen haben, der seinen Namen nach der Hauptfigur des Bilderbuches „Wo die wilden Kerle wohnen“ von Maurice Sendak bekam, der Geschichte eines Jungen, der so über die Stränge schlägt, dass er ohne Abendessen ins Bett geschickt wird. In dem Urwald, der dann in seinem Zimmer wächst, erlebt er die wildesten Abenteuer. Doch schließlich reist er zurück in sein Zuhause, wo dann doch ein warmes Essen auf ihn wartet. Essen ist Lores Synonym für Liebe und die ganze Familie akzeptiert das. Wie auch jeder in dieser großen, von Max‘ Onkel Andreas Seite her in ihrem Umfang etwas unbestimmten Familie den anderen – meist – in seiner Eigenheit nimmt, wie er ist.
In spielerischen Gedankenkaskaden erinnert sich der Erzähler an markante Familiengeschichten, an Witziges und Todtrauriges, an die erzählten Jugendgeschichten seines Vaters und dessen beider Brüder, an Kurioses und Grausiges. Hartnäckig ausgetragene Fehden und Familienzwiste sowie stillschweigendes Verständnis und stets leicht ironisierter Zusammenhalt strukturieren ein Familienleben, dessen Schilderung immer auch von der Vergangenheit, z.B. der Fluchtgeschichte des Großvaters, und ganz besonders von der Originalität der Akteure geprägt ist.
Das großartige Cover mit einem Bild von Jessine Hein (www.jessine.com) passt hervorragend zu dem zugleich zärtlich-lakonischen Buch, dessen höchst unterhaltsame Assoziationsketten und -spiralen und überbordende Sprachspiele es zu einem echten Lesespaß machen, fröhlich skurril, aber auch warmherzig. So resümmiert Max: „Wir sind in unserem Zimmer, wo es Nacht ist und das Essen auf uns wartet. Und es ist noch warm.“