Wetterbilanz von Emschergenossenschaft und Lippeverband weist auf eine Zunahme
von extremen Starkregenereignissen hin
Alle drei Monate waren sowohl an der Emscher als auch an der Lippe deutlich nasser als im langjährigen Mittel. Die Aufzeichnungen von EGLV zeigen, dass es im Durchschnitt seit 1940 in der Region fünf Starkregenereignisse pro Jahr gab – im Jahr 2023 gab es jedoch allein in den Monaten Juni, Juli und August an fünf Tagen Starkniederschlagsereignisse mit einer Wiederkehrzeit von „seltener als 100 Jahre“. Insgesamt verzeichneten EGLV in diesem Jahr bereits acht Starkregenereignisse! Mit dem Klimawandel ist zu erwarten, dass sich diese Entwicklung fortsetzen wird.
„Wir als Emschergenossenschaft und Lippeverband reagieren auf diese Entwicklung und haben Lösungsansätze entwickelt, wie der bereits gute Hochwasserschutz an Emscher und Lippe weiter optimiert und verbessert werden kann. Auch arbeiten wir gemeinsam mit unseren Partnerkommunen z.B. in der Zukunftsinitiative Klima.Werk an weitergehenden Maßnahmen, um im Rahmen der Starkregenvorsorge vor allem das Regenwasser von den Kanalisationen fernzuhalten und es schadlos vor Ort versickern zu lassen bzw. in nahe gelegene Gewässer abzuleiten. Auf Dauer müssen wir in unserer Region die sogenannte „Schwammstadt“ umsetzen. Das bedeutet: Wir benötigen Notpolderflächen und Notwasserwege, um die Wassermassen anderweitig auffangen zu können – und um Gefahren für Leib und Leben sowie für Hab und Gut bestmöglich zu vermeiden“, sagt Prof. Dr. Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender von EGLV.
Juni 2023
Im Juni 2023 wurde eine mittlere Niederschlagssumme von 81 mm (EG / Emschergenossenschaft) und 91 mm (LV / Lippeverband) erfasst. Zur Info: Die Millimeter-Angabe ist gleichzusetzen mit „Liter pro Quadratmeter“. Damit fällt der Monat im langjährigen Vergleich (130-jähriges Mittel: EG 74 mm, LV 71 mm) leicht überdurchschnittlich aus. Zu beachten ist hierbei allerdings, dass nahezu der gesamte Monatsniederschlag während des Starkregenereignisses am 22./23. Juni fiel. Der höchste Tagesniederschlag im Juni wurde ebenfalls am 22. Juni erfasst. Im EG-Gebiet fielen an der Station Pumpwerk Duisburg-Schmidthorst innerhalb eines Tages 97,3 mm. Im LV-Gebiet wurde der größte Tagesniederschlag mit 100,5 mm an der Station Kläranlage Soest erfasst. Zusammengefasst: Innerhalb eines Tages fiel an diesen Stationen mehr Niederschlag als im langjährigen Monatsmittel des Emscher-bzw. Lippe-Gebietes.
Juli 2023
Im Juli fielen im EG-Gebiet im Mittel 142 mm Niederschlag (130-jähriges Mittel: 83 mm) und im LV-Gebiet 115 mm (130-jähriges Mittel: 81 mm). Damit liegt der Juli 2023 im EG-Gebiet unter den zehn nassesten Julimonaten und im LV-Gebiet unter den zwanzig nassesten Julimonaten seit 1931!
Der höchste Tagesniederschlag fiel im Juli im EG-Gebiet am 9. Juli an der Station Pumpwerk Essen-Hesselbruch mit 36,8 mm. Im LV-Gebiet fiel der höchste Tagesniederschlag am 31. Juli an der Station Hünxe Schacht Lohberg mit 34,6 mm.
August 2023
Auch der August fiel deutlich überdurchschnittlich aus: Im EG-Gebiet fielen im Mittel 130 mm (130-jähriges Mittel: 78 mm) und im LV-Gebiet 120 mm (130-jähriges Mittel: 76 mm). Damit reiht sich auch der August unter die zehn nassesten Monate seit 1931 ein (im LV- und EG-Gebiet). Der höchste Tagesniederschlag fiel im EG-Gebiet am 16. August an der Station Pumpwerk Gelsenkirchen-Altstadt mit 80,8 mm (entspricht etwa dem langjährigen Monatsniederschlag im EG-Gebiet) und im LV-Gebiet am 6. August an der Station Pumpwerk Hamm-Caldenhofer Weg mit 94,2 mm (etwa 18 mm über dem langjährigen Monatsmittel des LV-Gebiets).
Der meteorologische Sommer liegt im EG-Gebiet damit fast gleichauf mit dem bisher (seit 1931) nassesten Sommer 1954. Im EG-Gebiet fielen 354 mm und damit nur 1 mm weniger als im Jahr 1954.
Im LV-Gebiet liegt der meteorologische Sommer mit 327 mm auf Platz 6 der nassesten Sommer seit 1931. Spitzenreiter ist auch im LV-Gebiet der Sommer 1954 mit 363 mm.
Die mittlere Niederschlagssumme für das immer von November bis Oktober dauernde sogenannte Wasserwirtschaftsjahr (EG: 800 mm und LV: 765 mm) wurde bereits im August (EG: 856 mm und LV: 812 mm) erreicht bzw. sogar überschritten. Damit fällt das WWJ 2023 erstmals seit 2016 wieder überdurchschnittlich nass aus.
Starkregenereignisse
Nach der Starkregenserie im Jahr 2021, mit dem bekannten Höhepunkt am 14. Juli 2021, traten im Jahr 2023 – also innerhalb von nur zwei Jahren – erneut mehrere extreme Starkniederschlagsereignisse im Emscher-/Lippe-Gebiet auf, darunter erneut ein Ereignis (22./23. Juni 2023), welches flächenhaft durch hohe Intensitäten geprägt war.
Außergewöhnlich waren in diesem Sommer die hohen Ereignissummen. Gleich bei drei Ereignissen fiel lokal der mittlere Monatsniederschlag binnen weniger Stunden (22./23. Juni, 6. August, 16./17. August).
22./23. Juni 2023
Den Auftakt der Starkniederschlagsserie bildete das Ereignis am 22./23. Juni. Nach etwa vier Wochen mit noch außergewöhnlich anhaltender Trockenheit zog am 22./23. Juni das Tiefdruckgebiet „Lambert“ über Deutschland hinweg und es bildete sich eine Schwergewitterlage über den Verbandsgebieten von Emschergenossenschaft und Lippeverband aus. Außergewöhnlich war die flächenhaft hohe Intensität der Niederschläge. Auf die Verbandgebietsflächen bezogen wies das Ereignis im Vergleich zu dem Ereignis vom 14. Juli 2021 eine größere Extremität auf (hinsichtlich der Anzahl an Stationen mit ausgewiesenem Starkregen und der Anzahl an Stationen, an welchen eine Wiederkehrzeit „größer als 100 Jahre“ erreicht wurde). Im Maximum wurde eine Ereignissumme von 100,4 mm an der Station Kläranlage Soest registriert.
Anschließend stellte sich eine anhaltend unbeständige Wetterlage ein, ab dem 9. Juli folgten in kurzen Abständen weitere Starkniederschlagsereignisse. Insgesamt wurden im meteorologischen Sommer 2023 an fünf Tagen Starkniederschlagsereignisse mit einer Wiederkehrzeit von „seltener als 100 Jahre“ aufgezeichnet.
9. Juli 2023
Am 9. Juli lag der Niederschlagsschwerpunkt im Nordwesten von Essen. Im Einzugsgebiet des Borbecker Mühlenbachs fielen innerhalb von 60 Minuten bis zu 58 mm Niederschlag (Auswertung auf Basis von Radardaten des DWD). Davon fielen rund 40 mm innerhalb von einer halben Stunde (dies entspricht nahezu der Hälfte des mittleren Monatsniederschlags im Emscher-Gebiet).
12. Juli 2023
Bei dem Ereignis am 12. Juli handelte es sich um ein sehr lokales Starkniederschlagsereignis in Hünxe. Innerhalb von 5 Minuten fielen 20 mm Niederschlag (etwa 1/4 des mittleren Monatsniederschlags).
6. August 2023
Das Ereignis am 6. August war ebenfalls lokal ausgeprägt und betraf das Stadtgebiet von Hamm. Innerhalb von 90 Minuten fielen bis zu 74 mm Niederschlag.
16./17. August 2023
Bei dem Ereignis am 16./17. August bildete sich ein von Südwest (Essen) nach Nordost (Castrop-Rauxel) gerichteter Niederschlagsschwerpunkt aus. Die höchsten Niederschlagssummen wurden in Gelsenkirchen und Essen erreicht. An der Station Gelsenkirchen-Bismarck wurden innerhalb von 90 Minuten 75 mm Niederschlag aufgezeichnet. Dies entspricht einer Wiederkehrzeit von über 100 Jahren. Im Raum Essen zeichnete die Station Essen-Pumpwerk Stoppenberger Bach mit etwa 54 mm Niederschlag die höchste Summe auf. Davon fielen 47 mm innerhalb von nur 45 Minuten. Dies entspricht ebenfalls einer Wiederkehrzeit von über 100 Jahren. Deutlich wird in den Stationsaufzeichnungen zudem die Heterogenität des Ereignisses. So wurden beispielsweise an den Stationen im nördlichen Gemeindegebiet Gelsenkirchens mit etwa 4 mm Niederschlag keine relevanten Summen erfasst.