Klassisches Design auf den Kopf gestellt
Das Service ist ein Verkaufsschlager und ein Erfolgsmodell, ausgezeichnet u.a. mit dem Grand Prix der Weltausstellung in Brüssel (1958) und dem iF-Design Award (1955). Namhafte DesignerInnen haben mehr als 165 Dekore für das Service entwickelt.
Das Service wurde seit 1952 von drei Pionieren in enger amerikanisch-deutscher Zusammenarbeit entworfen und 1954 ausgeführt: Philip Rosenthal (1916-2001), Raymond Loewy (1893-1986) und Richard S. Latham (1920-1991). Rosenthal übernahm 1947, aus dem Exil in England zurückkehrend, die Rosenthal AG und wurde 1952 Leiter der Designabteilung. Er wollte das Unternehmen ökonomisch voranbringen, indem er künstlerisch ganz neue Wege ging. Erschwert wurde dies allerdings durch die Tatsache, dass man nach dem Krieg keine neuen Geschirr-Serien kaufen, sondern nur verlorene Teile nachkaufen wollte.
Amerikanisierung in Konsumverhalten und Design
Da er international schon gut vernetzt war, nahm er Kontakt zu dem großen Chicagoer Designbüro von Raymond Loewy auf. Angesichts der zunehmenden Amerikanisierung des Konsumverhaltens in Westdeutschland wollte er sich im Porzellansektor positionieren und gleichermaßen den amerikanischen Markt erobern.
Raymond Loewy war der prägende Kopf eines stromlinienförmigen Designs und der Erfinder zahlreicher Produktmarken. Von ihm stammen die zeitlose Coca Cola-Flasche, das Shell-Logo, die Lucky Strike-Zigarettenschachtel, der doppelstöckige Greyhoundbus und die Innenausstattung der NASA-Raketen. Aber er war auch ein exzellenter Marketingexperte und wusste: Neuartige Designs könnten abschreckend sein. Deshalb sollte man zwar was Neues kreieren, aber nur so weit gehen, dass es gerade noch akzeptabel ist.
Auf der Suche nach der Form fürs 20. Jahrhundert
Dementsprechend entwarf sein Chefdesigner Richard S. Latham, ein Schüler Mies van der Rohes, ein Kaffee- und Speisegeschirr mit neuer, stromlinienförmiger, doppelkonischer X-Form. Er nahm damit Bezug auf die prosperierende US-amerikanische Automobilindustrie, behielt aber Vertrautes bei, etwa die organisch anmutenden Rundungen der Tüllen und der Henkelbei. Aus heutiger Sicht wirkt es wie ein Widerspruch, ein nicht zu Ende durchdachtes Design – damals war es ein sehr mutiger Schritt, der weg von den stark bauchigen Kaffeekannen und gebauchten Tassen führte.
Loewy habe, heißt es, das kopflastige Kaffeekannen-Modell intuitiv umgedreht und dann für „perfect“ erklärt . Der schmalere Konus als Fuß ist nur bei den Zuckerdosen und Tassen vorhanden. Auch wich Rosenthal vom alten Schema ab, Services mit weiblichen Vornamen zu benennen. Der Name „Form 2000“ zeugt von seiner Vision, dass dies die prägende Form fürs 20. Jahrhundert sein würde.
„Form 2000“ hatte aufgrund großer Popularität und massenhafter Verbreitung in Westdeutschland sowie Amerika eine lange Produktionszeit von 1954 bis 1978. Es ist repräsentativ für das westdeutsche Alltagsdesign der 1950er-Jahre sowie einer professionellen Kundenbeobachtung und Vermarktung.