Reine Alibi-Veranstaltung
„Lieber Gott, mach mich blind, dass ich alles prima find!“ Dieses Stoßgebet, das als Graffiti-Spruch jahrelang eine der Betonwände des Netter Kirchturms zierte, wäre als Motto für den „Info-Abend“ der evangelischen Noah-Gemeinde am 2. Februar im Mengeder Kulturzentrum Saalbau sicherlich geeigneter und treffender gewesen. Denn Information geht anders!
Ein Synonym für den missratenen Abend war schon zu Beginn der Veranstaltung der technische Ausfall der vorgesehenen Beamer-Projektion. Nur einige eng beschriebene Seiten, die allenfalls von den Leuten in der ersten Reihe entziffert werden konnten, dazu wenige dürftige mündliche Erläuterungen über Finanzbedarfe, die, um sie zu verstehen und bewerten zu können, ohnehin bei den meisten Zuhörern nicht vorhandenes Insiderwissen voraussetzten – das war’s mit der Vorrede. Und dann in drei Sätzen: „Beschluss des Presbyteriums, die Gemeindehäuser in Oestrich und Nette werden aufgegeben und entwidmet, danach vermarktet oder abgerissen.“ Unsere Bundeskanzlerin hätte ergänzt: „Das alles ist alternativlos!“
Der Protest der Zuhörer war einprogrammiert. Für die anschließende Fragerunde bediente man sich eines routinierten Moderators, der sich mit Vehemenz daran machte, die aufgezeigten Probleme glattzuschleifen. Viele Fragen, die auf bereitgestellten Medienwänden angepappt wurden, aber nur wenige Antworten. Gerade von den zahlreich anwesenden Kirchenvertretern, die sich, so schien es zeitweilig, einem Schweigegelübde verschrieben hatten.
Und recht bald verfestigte sich der Eindruck, die ganze Show sei eine reine Alibi-Veranstaltung. „Schön, dass wir mal darüber geredet haben.“
Darüber hinaus ziemlich armselig, was die vielen aufgebrachten Mitglieder aus der durch die Sparbeschlüsse am heftigsten betroffenen Netter Gemeinde zu hören bekamen. Beispielhaft hierzu: Die Kirche sei ein Wirtschaftsunternehmen und für Zusammenkünfte der Frauenhilfe-Gruppen, der Jugendlichen oder für Chorproben könnten leerstehende Ladenlokale angemietet werden.
So ganz nebenbei, und auch erst auf eine gezielte Nachfrage hin, erfuhr man, dass in Nette die Kirchenwiese für den Neubau eines Kindergartens aufgegeben werden müsse und in diesem Zuge der Glockenturm abgerissen wird. Weitere Infos? Fehlanzeige!
Kein Plan, keine Angaben über das Investitionsvolumen – alles alternativlos! Zu gern hätte man die Abbruchkosten ins Verhältnis zu den Unterhaltungskosten gestellt. Und ob die zusätzlichen 20 Quadratmeter Turm-Grundfläche für die Kindergarten-Nutzung unbedingt erforderlich sind, darf auch stark angezweifelt werden.
Ein Wirtschaftsunternehmen, mit dem man sich gern vergleichen möchte, da bin ich mir ziemlich sicher, hätte den Kirchturm als markante, weithin wahrnehmbare Werbesäule auf jeden Fall nicht angerührt. In früheren Jahren hatte man in Nette noch die Phantasie, mit einem in der Höhe angebrachten Werbebanner gegen den Golf-Krieg zu protestieren.
Vor dem Hintergrund des Verfalls gewachsener kultureller Werte und der Gefahr des Wachsens von Rechtsextremismus muss die Frage erlaubt sein, ob wirklich alle öffentlichen Förderungsmöglichkeiten ausgeschlossen sind. Sind die Vertreter der Politik kontaktiert worden? Einer unserer Netter Bürger vertritt uns bekanntlich sogar im Landtag.
Die Stadt Dortmund bewirbt mit viel Tam-Tam das Projekt „nordwärts“. Originalton Oberbürgermeister Sierau: „Der Norden Dortmunds wird ungeahnte Schätze ans Licht bringen und mit der ein oder anderen Überraschung aufwarten.“ Na, eine Überraschung wird ihm von der Noah-Gemeinde ja dann präsentiert werden.
Wagen wir einen Blick in die Zukunft: Das selbstverordnete Sparprogramm geht von der Annahme aus, dass bis zum Jahre 2025 (das sind gerade noch 9 Jahre!) nur noch die beiden historischen Kirchengebäude in Bodelschwingh und Mengede zur Verfügung stehen werden und vier vollamtliche Pfarrstellen erhalten werden können. Man rechnet dabei lediglich mit einem Rückgang von derzeit 14.600 Mitgliedern auf eine Zahl von 12.000.
Natürlich könne dann nicht jeden Sonntag ein Gottesdienst erwartet werden. Aber auch nach Wegfall der Gemeindehäuser in Deininghausen und Deusen seien kaum Kirchenaustritte zu verzeichnen gewesen. Eine Aussage, die einer um die Seelsorge bemühte Einrichtung nicht zugebilligt werden darf. Geht es etwa nur um die Kirchensteuerzahler?
Treffend brachte es einer der anwesenden Pfarrer auf den Punkt: Mit weniger Sälen verlieren wir Seelen!