Nebenan – Von Peter Grohmann

Nebenan

Eine Erinnerung vom 9.11.2023 an die Judenpogrome 1938  

 Von  Peter Grohmann 

Beides wohnt nebenan:
Der alte Krieg und der neue Krieg
Der Hass und die Zuversicht
auf bessere Zeiten
Beides wohnt in unserer Stadt. 

Beides wohnt in deinem Haus
Der alte Krieg und der neue.
Der alte Krieg, den wir vergessen haben
und der neue, den wir vergessen wollen
Beides wohnt nebenan 

Die Sorglosigkeit und die Trauer,
Die guten Nachrichten und die schlechten
Der neue Krieg, der sich auf den Weg macht,
der sich nicht einhegen lässt
wie eine Schafherde im Schwarzwald 

Der neue Krieg, der keinen Wachhund hat,
keinen Stacheldraht, der die Wölfe abhält.
Der neue Krieg hat es nicht weit
nach Möhringen und Vaihingen
Der nebenan wohnt 

Die Soldaten der Angst sind unterwegs
Bellizisten und Pazifisten im gleichen Boot
Hier spricht man deutsch.
Im Trommelfeuer der Fake News
wohnen Lüge und Wahrheit im gleichen Bett 

Den jüdischen Kindern ist nicht zu raten,
sich auf unseren Straßen mit der Kippa zu zeigen
Ins Meer, ins Meer
Doch Brücken müßt‘ man bauen
zu den Nachbarn nebenan 

Die offene Tür und das offene Wort
Das offene Wort,
das nicht übelgenommen wird
wenn es anders klingt
Bücher müsste man lesen 

Bücher müßte man lesen
wie’s zum besseren Leben kommen könnt‘
wie’s gewendet werden kann,
Zuhören müßte man lernen
und widersprechen 

Freunde werden wir haben
und mit ihnen bei allem Unbill,
bei allen Gemeinheiten,
die ein Mensch dem anderen zufügen kann,
wieder leben lernen 

Vielleicht in Demut
Mit schweren Träumen in der Nacht,
wie sie mich heimsuchen dieser Tage,
wenn ich an die Bombennächte in Dresden denke
Ich. Ein Kind inTel Aviv, in Gaza 

Wir leben. Doch bedenkt
es gibt kein gutes Leben ohne Solidarität.
Es gibt kein gutes Dasein
ohne Gerechtigkeit.
Es gibt kein Leben ohne Trauer 

Es taugt kein Leben ohne Heiterkeit