Links, rechts, Autobahn
Von Peter Grohmann
Als die FPD 1948 als kleineres Übel auf die Welt kam, wollten die alten Kameraden die neue Partei umgehend zur „NS-Kampftruppe“ umwandeln. Die FDP erholte sich davon – aber: Nie wieder ist jetzt. Hatte 1933 Theodor Heuss den Nazis nicht geholfen, die Demokratie abzuschaffen? Lappalien wurden in der neuen Republik schnell verziehen. Was heißt denn schon Presse- und Versammlungsfreiheit oder Briefgeheimnis? Ich bitte Sie! Die später aufgetauchten freien Geister – etwa Dahrendorf, Hamm-Brücher, Ernst Neger – hat der Erdboden verschluckt. Nur Gerhart Baum bläst den Liberalen noch den Marsch.
Heut weiß man: Nur wenige Menschen kommen als Nazis auf die Welt, Adolf Hitler etwa. Hitler begriff schon als Baby sofort, was dem deutschen Volk bevorsteht und ließ sich demokratisch wählen, nachdem er trockengelegt worden war. Zugegeben, die Industrie hat die Windeln gewechselt – raus aus der Scheiße der Rezension, rein in die Scheiße mit Krieg: vom Habenichts zum Taugenichts. Die Industrie hat viel geholfen und noch mehr vergessen. IG Farben, IG Spenden. Sie war’s nicht alleine, wir waren auch dabei. Doch trotz der 156.000 Toten bei der Wehrmacht blieb die Stimmung im Lande noch 1944 erstaunlich gut für die Nazis. Die schlechte Laune kam erst später, nach dem 13. Februar …
Heut‘ ist die Stimmung schlecht für die Demokratie. „So schlecht war ’se noch nie“, meint meine Omi Glimbzsch aus Zittau. Aber wer weiß schon, was noch kimmt, Omi?
Die Massen? 30 Prozent von denen sind tendenziell rechts, 30 Prozent tendenziell links und 30 Prozent tendenziell auf Aschermittwoch. Links heißt jetzt nicht das, was Sie gleich wieder denken, und rechts kann auch mancher Linker stehen, wie Geschichte und Gegenwart zeigen. Die 30 Prozent mit gar nischt sitzen bequem in der Mitte rum und wärmen sich den Arsch. Die restlichen zehn Prozent sind Auslandsdeutsche. Jetzt könnse sich ’n Kopp machen, wohin eventuell die 30 Prozent der Mitte gehen würden, wenn’s hart auf hart kommt. Die ganze Wahrheit ist einfach: Ohne die Mitte geht keine Rechnung auf.
Aber mit Wahrheiten darf man dem Rest der Welt nicht kommen: Viele sind immun. Ich nenn‘ jetzt nur mal das bis zum Erblinden gebrauchte Wörtchen „Faschisten“, mit dem man mir nichts, dir nichts jeden Rechtsgewendeten etikettiert, der gestern vielleicht noch links oder Mitte war. Der Begriff, heute tagtäglich verabreicht, verbraucht, verniedlicht und verharmlost den Nationalsozialismus. Deutschland, was ist los mit dir? Und he, Antifa, aufgemerkt: Der ständige Nazi-Vergleich ermüdet. Reichen denn Rassismus und Fremdenhass nicht aus? Sind Antisemitismus, Gewalt und Intoleranz nicht mehr alltagstauglich? Komm, fahr mit mir nach Dachau, Terezin oder Auschwitz, ich zeig‘ Dir den Schuhberg. Aber wahr bleibt auch: Deutschland hat genug Rechte. Mehr brauchen wir nicht. Aber bedenkt: Trotz Jahrzehnten intensiver Beschäftigung mit der eigenen Geschichte bleibt für viele nur das mühsam zusammengekratzte Wissen zu den Autobahnen übrig. Die polnische hört kurz vor Auschwitz auf.
Peter Grohmann * ist Kabarettist und Koordinator der AnStifter. Wir danken ihm für die Zustimmung zum Abdruck dieser Kolumne.
* peter-grohmann@die-anstifter.de