Gebt Schießbefehl!
Ein Kolumne von Peter Grohmann*
KONTEXT:Wochenzeitung vom 17.2.2016
Was denn nun? Soll man jetzt schießen oder eher nicht? Aus der Luft oder nur in die Luft? Welches Kaliber? Oder besser Platzpatronen? Scharf? Auf Frauen, wegen Gleichberechtigung und man weiß ja nie? Auch auf Kinder? Ab welchem Alter? Klar, auf jeden Fall auf Kindersoldaten!
Wir hören, dass die modernen Sattelitenkameras aus 100 Kilometer Höhe Objekte von der Größe einer Zigarettenschachtel erkennen können. Rothändle etwa. Bravo! Die können Autos orten durch den dichtesten Urwald! Die können, wenn sie wollen, einzelne Terroristen aus der Luft im fahrenden Jeep erkennen und erwischen – und immer die richtigen.
Aber sie sind nicht in der Lage, Lebensmittelpakete über den Flüchtlingslagern der Hunderttausenden abzuschmeißen. Kein Trinkwasser, keine Medikamente, kein Mehl, kein Brot. Man lässt die da am langen Arm verhungern, verdursten, sterben.
Sie sind auch nicht in der Lage, ihr Ehrenwort zu halten, ihre Versprechen, ihre Zusagen. Die da glauben. Die anderen pokern. Wer gibt wie viel und warum und wenn überhaupt wann? Die anderen sind wir: die internationale Solidargemeinschaft, die mit den vorwiegend christlichen Werten, die abgeklärten Aufgeklärten, Vielredner, Schönredner, Schwindler.
Morgen kommt der Weihnachtsmann, kommt mit seine Gaben: Trommel, Pfeifen und Gewehr, Fahn und Säbel und noch mehr möchtste gerne haben? Geduld – und warte, warte noch ein Weilchen: Weihnachten ist doch hierzulande erst in zehn Monaten! Ach, so lange wartest du schon, glaubst du? Ja, mein Kind, dann hast du vielleicht falsch geglaubt.
„Zögern Sie nicht mit der Anwendung der Schusswaffe, auch dann nicht, wenn die Grenzdurchbrüche mit Frauen und Kindern erfolgen …“ Aus einer siebenseitigen Dienstanweisung vom 1. Oktober 1973. Kennen Sie zufällig das Land, das diesen Schießbefehl gegeben hat?
Übrigens: In Cleveland darf die Polizei auf Unbewaffnete schießen. In Deutschland raten meine Omi Glimbzsch aus Zittau und ihr Neffe den Soldaten und Polizisten: Befehl verweigern. Klappt.