Schweineregime? – Eine Kolumne von Peter Grohmann

Schweineregime?

Von Peter Grohmann

He Leute, Böhmermann ist ja auch nicht schlecht! Und von dem haben Sie mehr als von mir, auch wenn ich ganz andere Reichweiten erreiche. Böhmermann hat uns in seiner letzten Sendung Mut gemacht zum „Besser werden“ in den sozialen Netzwerken. Nehmen wir das rotchinesische TikTok. Dort erreicht die AfD doppelt so viel junges Publikum wie alle anderen Parteien zusammen: mehr als sechs Millionen Likes und knapp 400.000 Follower:innen. Tendenz steigend. Die Einschlafseiten der demokratischen Gesellschaft lassen grüßen.

Egal jetzt, in welchen lokalen, nationalen oder internationalen Netzwerken und Medien wir uns rumklicken: SA marschiert, die Reihen fest geschlossen – aber nur, wenn’s gegen die Demokratie geht. Gegen die wird gedroschen, was das Zeug hält. Und niemand scheut sich, auch aktuelles linkes Vokabular in den braunen Brei zu mischen. Kluge und dumme Hetze, halbe Lügen und ganze Wahrheiten gegen „die da oben“, „die Medien“ und ihre „semitischen Lenkungskreise und Stichwortgeber“, gegen „Herrschsucht und Manipulation“ links-grün-versiffter Eliten, gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, Leitmedien, Systempresse. Kommt alles aus den USA, hinter Politik und Medien stecken jüdisches Kapital, Kriegstreiber und Konzern-Oligarchie. Man darf heut‘ eh nix mehr sagen, es gibt keine zuverlässigen Informationen mehr und selbst Kabarettisten werden verfolgt … – das Ende ist nah!

Mal egal jetzt – wichtig ist: Die braunen Netze arbeiten international, effektiv und thementeilig, sammeln die jungen Wähler:innen von morgen ein, spielen sich gekonnt die Bälle zu, sind meist tagesaktuell, loben Lesben, Arendt, Luxemburg, den 1. Mai, die Revolutionäre von 1848, Assange, bissel die DDR und – zwinker-zwinker – den Volksaufstand. Grundgesetz, Demokratie, ja Deutschland und morgen die ganze Welt seien bedroht. Da darf die Frage nicht fehlen, ob „das Schweineregime jetzt sturmreif“ sei, mit Verweis auf Art. 20 Absatz 4 der Verfassung: „Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“ Das kann ja heiter werden.

Ehrlich, unsereins tut sich schwer mit den sozialen Medien und fragt, was denn da sozial sei und wieso sich die anderen so leicht tun und warum die unseren die anderen nicht überzeugen können. Vielleicht stimmt sogar die Antwort, dass unsere Antwort auf die Probleme der Zeit zu kompliziert, zu langatmig, zu duster und zu unglaublich ist. Alerta verstehen die nicht, und warum man um Himmels Willen den Grünen und der SPD beim großen Marsch gegen rechts immer wieder eins überbrät, verstehe wer will. Ich nicht. Vielleicht liegt’s an Stalin oder Sinowjew? So gesehen könnte auch ein guter Teil des demokratischen Widerstands vom Platz gejagt werden. Übrig bleiben dann die Alleinredner der Antifa.

Peter Grohmann * ist Kabarettist und Koordinator der AnStifter. Wir danken ihm für die Zustimmung zum Abdruck dieser Kolumne.
* peter-grohmann@die-anstifter.de