Transparenz und Beteiligung bei TTIP eine Farce?
von Marco Bülow
Vorbemerkungen:
Lange Zeit hatten nicht mal die Bundestagsabgeordneten die Chance die Unterlagen zum Freihandelsabkommen TTIP anzuschauen. Mit großem Getöse sollte dieser Missstand nun behoben werden. Dazu wurde im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ein Leseraum eingerichtet. Ich wollte mir dort einen eigenen Eindruck verschaffen. Hier mein Bericht:
In der kontrollierten Stube
Zunächst einmal ist es sehr aufwendig, einen Termin zu vereinbaren, denn natürlich gibt es nur reglementierte Besuchszeiten. Nach Überwinden dieser Hürde mache ich mich also auf dem Weg. Es begleitet mich mein Mitarbeiter, der aber nur bis zum Eingang kommt. Zutritt nur für angemeldete Abgeordnete. Handy, Tasche, jedwede Elektronik muss ich abgeben.
Die vorgelegten handelsrechtlichen Texte sind in Englisch. In der Stube stehen einige PC, an denen man sich die Dateien zu TTIP durchlesen kann. Zudem ist ein Sicherheitsbeamter anwesend, der uns kontrolliert. Ich komme mir schon vor, als würde ich etwas Verbotenes tun, als würden mir hochsensible militärische Geheimnisse offenbart werden. Abschriften und Aufzeichnungen sind nicht erlaubt, allein handschriftliche Kurznotizen sind möglich. Über den Inhalt muss ich absolutes Stillschweigen bewahren.
Bei den Schriftstücken handelt es sich angeblich um „konsolidierte EU-US-Texte, die Verhandlungsvorschläge der USA, wie auch andere relevante EU-Dokumente enthalten“. Wenn ich die Seitenzahl von allen Dokumenten addiere, komme ich 350. Sie sind in einem bürokratischen, teilweise sehr fachspezifischen Englisch geschrieben. Stetig wird auf andere Unterlagen, Beschlüsse, Verordnungen und Verträge hingewiesen, die man natürlich nicht zur Hand hat. Man müsste diese Vorlagen alle kennen, zudem Jurist sein, perfektes Englisch können und dann fachlicher Experte bei den Einzelpunkten sein. Wie gerne würde ich einige Passagen mit spezialisierten Mitarbeitern, mit anderen Abgeordnete besprechen und analysieren. Das ist mir aber bei Androhung von Strafen untersagt. Man will also anscheinend nicht, dass wirklich analysiert wird, was sich da in den Texten, hinter Bezugnahmen und Querverweisen verbirgt.
Ich versuche dennoch so viele Informationen wie möglich zu speichern, aber es fällt mir schwer mich auf diese technische Sprache zu konzentrieren. Mein Kopf schwirrt, mein Ärger über diese große Täuschung wächst.
Man kann also im Ergebnis auch nach Akteneinsicht keine Debatte über die Vertragsinhalte führen.
Ich nutze die Zeit aus. Mit beklommenen Gefühl bin ich reingegangen, mit Kopfschütteln verlasse diesen Raum. Ich wollte TTIP und seinen Verfechtern zumindest die Chance geben, zu beweisen, dass sie Lehren aus der Intransparenz ziehen und auf die Kritik der Gegner eingehen. Aber hier wurde mir nur eine Täuschung offenbart.
Aufgrund der Verbote ist es für mich nicht mal möglich, einen wirklichen Überblick über den Verhandlungsstand bei TTIP zu erhalten. Es fehlen Erläuterungen und Ergebnisse der ersten Verhandlungsrunden.
Ich werde somit also nicht in die Lage versetzt, mein Amt als Abgeordneter so auszuüben, wie ich es normalerweise tun kann.
Fazit: Unwürdig und intransparent
Mehr denn je bin ich dazu entschlossen, dass dieses Handelsabkommen so nicht durchkommen darf. Dabei geht es längst nicht nur um die Inhalte, sondern auch die Art und Weise wie hier Demokratie und Transparenz mit Füßen getreten wird. Die Bedingungen, unter denen selbst ich als Bundestagsabgeordneter die Verhandlungstexte zwischen der Europäischen Union und den USA zum Handelsabkommen TTIP einsehen darf, sind einer Demokratie unwürdig.
Eine Elite handelt Verträge zu ihrem eigenen Nutzen aus und will um jeden Preis, Bürger, Medien und legitimierte Politik außen vorlassen.
Meine Forderungen
Lobbyisten von einigen Großkonzernen geben die Leitlinien der Politik vor und zementieren sie in internationalen Verträgen. Am Ende haben Nationalstaaten und ihre Volksvertreter höchstens noch die Chance an einigen Details herumzudoktern. Die Beschlüsse wird man dann nicht wieder zurückholen können, egal wie schädlich und wie fatal ihre Auswirkungen sein werden.
Ich werde mich weiterhin für einen sofortigen Verhandlungsstopp einsetzen. Solange dies nicht erreicht wird, geht es jetzt darum, wirkliche Transparenz einzufordern. Der Hauptadressat ist neben der EU für uns vor allem die Bundesregierung. Sie muss endlich eine transparente, demokratische Debatte über TTIP ermöglichen. Dazu gehört, dass auch die Öffentlichkeit diese Papiere lesen kann und dass diese übersetzt werden. Nur so kann ein echter demokratischer Prozess stattfinden.
Wir brauchen als Abgeordnete alle Möglichkeiten, die Texte zu analysieren und zu besprechen. Die Bevölkerung wird die Wirkungen von TTIP zu spüren bekommen, also müssen sie das Recht haben, informiert zu werden und sich der Diskussion zu beteiligen. Zudem muss endlich geklärt werden, dass die Nationalparlamente dem Abkommen zustimmen müssen, bevor die EU sie ratifizieren kann.