OB Westphal hat gestern das neue Mural in Mengede zur Erinnerung an Werner Krumme eingeweiht

Kunstwerk setzt wichtiges Zeichen gegen Antisemitismus

Der Dortmunder Werner Krumme rettete während des Holocausts zahlreiche Jüdinnen und Juden. Nun erinnert ein Mural an der Jugendfreizeitstätte JaM an seine Zivilcourange und setzt ein wichtiges Zeichen gegen Antisemitismus

An der Jugendfreizeiteinrichtung und Bildungsstätte JaM in Mengede und in Zusammenarbeit mit dem „Combat Antisemitism Movement“ sowie der Organisation „Artists 4 Israel“ wurde  ein großes Wandgemälde erstellt, um in Würdigung seiner Taten ein Denkmal zu schaffen.

Die Einweihung übernahm Oberbürgermeister Thomas Westphal in Kooperation mit der what matters gGmbh. 

Fotos: K.N.

Zur Erinnerung an Werner Krumme

Von Markus Günnewig

Leiter der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache

 Seit mehr als 30 Jahren hängen in der Gedenkstätte Steinwache drei erkennungsdienstliche Fotos von Werner Krumme aus Auschwitz. In dem Raum, in dem es eigentlich um die Deportation der jüdischen Bevölkerung Dortmunds und deren Ermordung geht, sind diese Fotos etwas pathetisch ausgedrückt der einzige Lichtblick. Sie zeigen einen kahlgeschorenen Mann in Häftlingskleidung frontal und im Profil bzw. Halbprofil. Es handelt sich um den einzigen „Gerechten unter den Völkern“ aus Dortmund. „Gerechter unter den Völkern“ ist ein durch die israelische Holocaustgedenkstätte Yad Vashem vergebener Ehrentitel für nichtjüdische Einzelpersonen, die während des Holocausts ihr Leben einsetzten, um Juden vor der Ermordung zu retten.

Außer ihm gibt es mit Dortmund-Bezug nur noch Feodor Mikhailichenko aus der heutigen Dortmunder Partnerstadt Rostow am Don, der während des Krieges hier als Zwangsarbeiter eingesetzt war, im November 1943 festgenommen wurde und über die Steinwache ins KZ Buchenwald kam. In der Endphase des Krieges half er dem kleinen jüdischen Kind Israel Meir Lau zu überleben und wurde später ebenfalls als „Gerechter unter den Völkern“ ausgezeichnet. 

Werner Krumme wurde hier in Dortmund am 12. Mai 1909 geboren. Der gelernte kaufmännische Angestellte arbeitete als Handelsvertreter. Im Mai 1933 heiratete er seine jüdische Frau Ruth. Zu diesem Zeitpunkt waren die Nationalsozialisten bereits an der Macht und ihr Terror hatte neben politischen Gegnerinnen und Gegnern auch bereits die jüdische Bevölkerung getroffen. Das bekannteste Beispiel ist wohl der auch immer wieder von Gewalt begleitete sogenannte Aprilboykott. Im Rahmen dessen blockierten vor allem Angehörige der paramilitärischen SA jüdische Einrichtungen und belästigten und attackierten deren Betreiberinnen und Betreiber. Und der Druck stieg im Laufe der Jahre immer weiter. 1938 zogen die Krummes nach Breslau. Zu Kriegsbeginn 1939 wurde Werner Krumme zur Wehrmacht eingezogen, bald aber aufgrund seiner sogenannten Mischehe als wehrunwürdig wieder entlassen.

Am 15. September 1942 wurden die Krummes von der Gestapo in Breslau festgenommen. Sie hatten versucht, den beiden jüdischen Mädchen Renate und Anita Lasker, mit denen Ruth Krumme verwandt war, die Flucht in den unbesetzten Teil Frankreichs zu ermöglichen. Die beiden Mädchen kamen nach Auschwitz, überlebten aber. Anita Lasker-Wallfisch, wie sie seit ihrer Hochzeit heißt, ist heute eine bekannte deutsch-britische Cellistin und eine der letzten bekannten Überlebenden des Mädchenorchesters von Auschwitz.

Die Krummes kamen schließlich am 31. Januar 1943 ebenfalls nach Auschwitz, wo Ruth Krumme ermordet wurde. 

Werner kam als Funktionshäftling in Auschwitz in die Schreibstube des Arbeitsdienstführers und konnte sich relativ frei im Lager bewegen.

Im Frankfurter Auschwitz-Prozess sagte er am 9. Juli 1964  folgendes über seine Tätigkeit in Auschwitz:

Es war doch so, daß die Arbeit im Lager lebenszerstörend wirken sollte. In den Arbeitskommandos wurden die Menschen verschlissen. Ich hatte die Aufgabe, Arbeitskommandos zusammenzustellen. Ich hatte die Aufgabe, Anforderungen nach Fachkräften zu befriedigen. Ich mußte also aus der Masse der Häftlinge irgendwelche Facharbeiter heraussuchen für bestimmte Arbeitskommandos. Ich mußte aber auch beinahe täglich Arbeitskommandos ergänzen, weil täglich ein Ausfall an Menschen bestand, die zugrunde gegangen waren. Sie waren entweder als »Muselmänner«– der Begriff ist ja hier schon oft gefallen – zugrunde gegangen, oder aber sie waren auf der Flucht erschossen worden, oder sie waren totgeprügelt worden. Und diese Lücken mußten immer wieder durch mich ausgefüllt werden. 

Bei dieser Tätigkeit rettete er mehreren jüdischen Auschwitz-Häftlingen das Leben. Am 7. Juli 1944 wurde Werner Krumme schließlich entlassen und zur Wehrmacht einberufen. Er überlebte den Krieg und wurde am 16. Juni 1964 zu einem Gerechten unter den Völkern ernannt – einer von bis heute 641 deutschen Gerechten. Das Deutsche Reich hatte damals etwa 80 Millionen Bürgerinnen und Bürger.