Was macht eigentlich… (7) Dr. Folker Kozianka

Nichts geht über BodelschwinghIMG_0939

Bodelschwingh ist in seiner Geschichte immer schon ein besonderer Flecken gewesen. Vielleicht liegt das an seinen zwei Schlössern, am Schlosspark, der alten Schlosskirche und den zahlreichen denkmalgeschützen Gebäuden. Hier in der ländlichen Umgebung ist noch eine kleinbäuerliche Struktur vorhanden, in der aus – Sicht der Mengeder – Bodelschwingh sich seine Eigenheiten hat bewahren können. Das trifft auch auf viele seiner Bewohnerinnen und Bewohner zu.

MENGEDE:InTakt! trifft einen alten Bodelschwingher und fragt genauer nach: Was macht eigentlich Dr. Folker Kozianka? Die Frage ist nicht so einfach zu beantworten… .

Folker Kozianka kann man zu Recht als „alten“ Bodelschwingher bezeichnen. Er wurde dort 1947 geboren ist dort aufgewachsen und hat sein weiteres Leben – abgesehen von seiner Studienzeit in Münster und seiner Ausbildung zum Facharzt – hier verbracht. Seinen Heimatort kennt er als ganz genau. Seine Eltern stammen ebenfalls aus dem Stadtbezirk Mengede – die Mutter kam aus Bodelschwingh, der Vater aus Westerfilde.

Der Beginn seines Medizinstudiums an der Universität Münster im Jahr 1968 war auch der Beginn der Studentenunruhen an den deutschen Universitäten, die für die Hochschulen erhebliche Veränderungen brachten. Die Studierenden wollten Reformen. „Unter den Talaren – Muff von 1000 Jahren“, wurde bei einer feierlichen Rektoratsübergabe der Universität Hamburg plakatiert.talare2_v-vierspaltig
Davon blieb auch die eher konservativ geprägte Universität Münster nicht verschont, auch wenn der MSB Spartakus die Mediziner der Universität nicht so recht für die revolutionären Ideen begeistern konnte. Studieren war dort angesagt, um möglichst schnell zum Abschluss zu kommen. Da blieb auch für Folker Kozianka keine Zeit mehr für die theoretische Auseinandersetzung mit Karl Marx und seinem „Kapital.“

Nach erfolgreichem Studium absolvierte der Mediziner Kozianka seine Facharztausbildung in verschiednenen Krankenhäusern des nahen Münsterlandes. Danach ließ er sich 1981 in Bodelschwingh als Facharzt für Allgemeinmedizin nieder. Mit 65 Jahren ging er 2012 in den Ruhestand und übergab die Praxis seinem zweitältesten Sohn.

Sohn Ulrich erweiterte die Praxis zur Gemeinschaftspraxis mit insgesamt drei Ärzten. Um den dritten Kassenarztsitz zu erhalten, musste bis Neubesetzung für 6 Monate eine Praxisvertretung her. Was lag näher, als den kompetenten und rüstigen Ruheständler zu bitten hier auszuhelfen. Nach anfänglichem Zögern willigte er ein und übernahm eine Halbtagsstelle in seiner früheren Praxis. Folker Kozianka war erstaunt, wie schnell er sich nach zwei Jahren im Ruhestand wieder eingearbeitet hatte.

Rückblickend stellt er heute fest, dass ihm diese Aushilfstätigkeit viel Freude gemacht hat. „Frei von allen organisatorischen Pflichten hier noch einmal gebraucht zu werden, verschaffte ein positives Gefühl. Vor allem war es gut zu wissen, dass es nach immerhin zwei Jahren Praxispause problemlos gelang, sich wieder in die verantwortungsvolle Tätigkeit einarbeiten zu können; gut zu wissen für Arzt und PatientInnen. Besonders gefallen hat mir, dass ich nun – im Gegensatz zu früher – mir viel mehr Zeit für den Einzelnen nehmen konnte“, so Folker Kozianka rückblickend. Etwas Wehmut schwingt dabei in seiner Stimme mit, denn seit dem 1.1.2016 ist die freie Stelle wieder „ordnungsgmäß“ mit einer hausärzlich tätigen Internistin besetzt.

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Zusammen sind sie stark – nicht nur beim roterkeil: Ulrich Fehlauer und Folker Kozianka

Schon bereits mit seiner Pensionierung im Jahr 2012 begann für F.K. eine neue Zeitrechnung. Endlich alles das tun, was einem Spaß macht und wofür man als praktizierender Hausarzt mit einer großen eigenen Familie manchmal keine oder häufig keine ausreichende Zeit hat. Dabei sind seine Hobbies nicht außergewöhnlich: Er fährt gerne Fahrrad oder geht durch Bodelschwingh spazieren; er liest gerne – bevorzugt abends häufig Krimis, ansonsten meist Belletristik, weniger Sachbücher. Er verbringt seine Urlaube gern mit der Familie oder allein mit seiner Frau – am liebsten in Portugal. Und er ist ein begeisterter Wanderer! Gott sei Dank teilt seine Frau diese Begeisterung. Zusammen sind sie den „klassischen“ Jakobsweg gewandert, von Pamplona nach Santiago del Compostela. Dabei wurden die beiden auf den letzten 200 km dieser Strecke von Ponferrada nach Santiago durch die ihre Tochter und deren Freund sowie durch den jüngsten Sohn begleitet.Jakobsweg_in_Spanien_und_Europa_big

Später folgten zwei weitere Wanderungen nach Santiago – einmal von Sevilla aus nach Santiago, das andere Mal von Porto aus nach Santiago, wobei die letzte Wanderung aus Krankheitsgründen leider vorzeitig beendet werden musste.
Die Verständigung mit den Menschen hat auch sprachlich sicher gut funktioniert, denn seit sieben Jahren nimmt Folker Konzianka an einem Sprachkurs Spanisch teil.

Seit 1981 ist er Mitglied im TV Eintracht Bodelschwingh und trifft sich seit dieser Zeit immer freitags zur Gymnastik und zum Ballspiel in einer Männergruppe. „Früher Ü 50, heute eher Ü 60“, wie Folker Kozianka mit Blick auf das Alter, aber ausdrücklich nicht auf den Fitness-Zustand der Teilnehmer feststellt. Seit ca. 25 Jahren ist er als BVB-Fan im Besitz einer Dauerkarte und begleitet hin und wieder die Dortmunder Borussen auch bei internationalen Auftritten in europäische Stadien.

Die Entwicklung im internationalen Fußball und auch im DFB kann ihn allerdings nicht erfreuen. Es haben sich nach seiner Meinung kriminelle Strukturen herausgebildet – leider nicht nur beim Fußball, auch beim Radsport und in der Leichtathletik – die aber nur schwerlich zu ändern sind. Korruption und Bestechung gehören offenbar zum Alltag. Die öffentliche Empörung empfindet er als „Krokodilstränen“. Wollte man wirklich etwas ändern, müsste man grundsätzlich überlegen, ob es gelingen kann, das viele Geld aus dem Verkehr zu ziehen, bei dem es um die ganzen internationalen Wettbewerbe geht. „Es wäre ja schon viel gewonnen, wenn den Zuschauern – am Fernsehen oder in den Stadien – klar würde, dass es sich um riesige Show-Veranstaltungen handelt und es im Grunde genommen egal ist, wer hierbei gewinnt“, ist seine feste Überzeugung.

Zurück zu den Freizeitbeschäftigungen. Seit Jahren stellt sich Folker Kozianka für die ärztliche Betreuung des Blutspendedienstes des Roten Kreuzes zur Verfügung – jeweils mittwochs von 11.00 – 19.00 Uhr und gelegentlich auch samstags. Mit seinem Freund aus Jugendzeiten – Ulrich Fehlauer – arbeitet er im Vorstand des Netzwerkes roterkeil – Gruppe Dortmund. roterkeil.net ist ein Netzwerk gegen Kinderprostitution, das 1999 ins Leben gerufen wurde und seitdem stetig gewachsen ist. Es besteht aus einer Vielzahl von Menschen, die Hand in Hand arbeiten, um dem Verbrechen des organisierten Kindesmissbrauchs eine Bewegung entgegenzusetzen.
Die dauerhafte, organisatorische Struktur des Netzwerks bilden die Bereiche roterkeil.net-lokal (bislang fünf Ortsgruppen als eingetragene Vereine) und die roterkeil.net-Stiftung. (Einzelheiten unter www. roterkeil.net .

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Hintere Reihe (v.l.): Dr. med. Folker Kozianka (Vorstandsmitglied);
Karsten Haug (1. Vorsitzender); Ulrich Fehlauer (Beisitzer)
Peter Schäfer (Stv. 1. Vorsitzender)
Vordere Reihe (v.l.):
Andrea Hitzke (Beisitzerin); Mariya Haug-Xavier (Beisitzerin),Martin Andrzejewski (Vorstandsmitglied);Marianne Müller (Sekretärin).

All das könnte schon ein Programm sein, mit dem jeder rundum beschäftigt wäre. Doch ganz so ist das nicht, denn als Vater von 5 Kindern – zwei Jungen, ein Mädchen, zwei Jungen – und einer berufstätigen, engagierten Ärztin als Ehefrau musste F. K. immer versuchen, die unterschiedlichen beruflichen und privaten Anforderungen und Bedürfnisse im Gleichgewicht zu halten. Das war sicher oft nicht einfach und wäre ohne nachhaltige Unterstützung einer Vertrauensperson – einer Hauswirtschafterin – kaum möglich gewesen.
Es hört sich gut an, wenn F. Kozianka sich dankbar erinnert: „Ohne diese Mithilfe hätte der Alltag nicht so reibungslos bewältigt werden können. Sie war unsere treue Seele.“

Früher waren Leute wie Folker Kozianka auf dem Dorf die heimlichen Bürgermeister. Für ihn war das jedoch nie eine Option. „Dazu bin ich zu sehr Familienmensch, um die knappe Zeit noch für Dinge aufzuwenden, die mich nicht sonderlich interessieren“, antwortet er auf die Frage, ob er nicht gelegentlich daran gedacht habe, sich in der Kommunalpolitik oder in örtlichen Vereinen an führender Stelle zu engagieren. Daran hat er früher keinen ernsthaften Gedanken verschwendet und heute als siebenfacher Großvater erst recht nicht.

Zum Schluss unseres Gesprächs frage ich ihn, welche Gründe ihn bewogen haben, Bodelschwingh solange die Treue zu halten und warum er vorhat – sofern das Schicksal es gut meint – hier in den nächsten 30 Jahren zu leben und z. B. nicht an den Phoenix-See umzuziehen. Sein Antwort hierauf ist knapp und typisch für Folker Kozianka, aber auch viele Bodelschwingher könnten sich vermutlich problemlos damit indentifizieren:IMG_0940 (1)
„Mit einer Unterbrechung von 14 Jahren – Studium und Facharztausbildung – lebe ich seit meiner Geburt in Bodelschwingh. Hier bin ich verwurzelt, habe insbesondere familiäre und freundschaftliche Verbindungen. Mir gefällt die meistens offene, ehrliche Art der „alten“ Bodelschwingher.
Die Lage des Ortes in einem ländlich geprägten Bezirk von Dortmund hat mir immer gut gefallen, vor allem die guten Anbindungen an die Nachbarstädte, aber auch an das nahe Münsterland.
Ich mag die Vielschichtigkeit der Bevölkerung, auch wenn das hin und wieder Probleme aufwirft.
Ich hasse die zunehmende Vermüllung und die Schmierereien – von anderen Graffiti genannt – an öffentlichen Plätzen und Gebäuden, leider kein spezifisches Problem in Bodelschwingh allein.“

MENGEDE:InTakt! hat Dr. Folker Kozianka gebeten, den (aktualisierten) Fragebogen von Marcel Proust* auszufüllen. Hier ist das Ergebnis:

Ihr Motto/Leitspruch?
„Carpe diem“ (Lat. für dt. „Genieße den Tag“ oder wörtlich: „Pflücke den Tag“)
Ihr Hauptcharakterzug?
Beharrlich, offen zu meinen Mitmenschen
Welche natürliche Gabe möchten Sie besitzen?
Eigentlich bin ich mit meiner „Ausrüstung“ zufrieden; ich möchte nicht in die Zukunft schauen können
Was verabscheuen Sie am meisten?
Hinterlistigkeit und Kriege
Ihr Interesse an Politik?
Vorhanden, reicht aber nicht zur aktiven Mitarbeit
Glauben Sie Gott sei eine Erfindung des Menschen?
Ich bin Christ
Welche Reform/Erfindung bewundern Sie am meisten?
Alle Dinge, die dazu beitragen bzw. beigetragen haben, der Menschheit das Leben lebenswerter zu machen
Mit wem möchten Sie an einer Hotelbar ein Glas Wein trinken und dabei worüber reden?
Im Augenblick sicherlich mit unserer Bundeskanzlerin über die Frage, wie sie die Flüchtlingsproblematik beherrschen will bzw. ob das überhaupt gelingen kann
3 Dinge, die Sie mit auf eine einsame Insel nehmen würden?
Streichhölzer, Bibel und einen Schlafsack
Sommer oder Winter?
Unbedingt Sommer
Ihre Hobbies?
Sport (aktiv und passiv); Wandern und Radfahren; Urlaub in warmen Ländern; Fremdsprache lernen (Spanisch); Familie
Film oder Buch?
Buch, aber auch Film
Welchen Film haben Sie zuletzt gesehen?
Ich bin dann mal weg
Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen?
Fabio Volo: „Einfach losfahren“ (Zwei Freunde, zwei Lebenswege, zwei Lieben)
Ihre Lieblingsmusik?
Keine betimmte Richtung – abhängig von der Stimmung sowohl E- als auch U-Musik (gerne Bach, Vivaldi, Oldies)
Ihre Lieblingsblume?
Tulpe
Ihr Lieblingstier?
Adler
Essen & Trinken hält Leib und Seele zusammen – auch bei Ihnen? Wenn ja, was ist es?
Kann ich nur zustimmen; gerne westfälisch: Eintopf, Grühnkohl, dazu ein gut gezapftes Pils
* Der Fragebogen von Marcel Proust
Was denken und fühlen bekannte Zeitgenossen? Diese Fragen faszinierten die Menschen schon immer. Vorbild für diese Fragen ist der wohl bekannteste Fragebogen, der den Namen des französischen Schriftstellers Marcel Proust (1871-1922) trägt. Dieser hat ihn aber nicht entworfen, sondern nur ausgefüllt, das heisst, genau genommen sogar zweimal: Einmal als 13-jähriger auf einer Geburtstagsparty. Dann im Alter von etwa 20 Jahren einen ähnlichen Fragebogen, dem er selber den Titel «Marcel Proust par lui-même» («Marcel Proust über sich selbst») gab. Berühmt wurden die Fragen durch Publikationen z. B. in der FAZ.
MENGEDE:InTakt! hat den Fragebogen etwas aktualisiert.