Guntram Schneider fordert Obergrenzen- Obergrenzen für das Reden von Unsinn
In dieser Woche wurde in der ehemaligen Kaue der Kokerei Hansa eine sehenswerte und höchstaktuelle Ausstellung eröffnet. Unter dem Titel „Glückauf in Deutschland“ wird auf großflächigen Plakaten die Geschichte von neun türkischen Jungen erzählt, die im Alter von 14 bis 15 Jahren ohne Eltern zusammen mit 76 Gleichaltrigen 1964 ins Ruhrgebiet kamen.
Wie sie in Pestalozzidörfern oder deutschen Familien aufgenommen wurden, mit anfänglichen Schwierigkeiten zu kämpfen hatten, aber trotzdem ihre Ausbildung machten und beruflich aufstiegen. Ihr Resümee: „Wir sind stolz auf das, was wir erlebt, durchgemacht, geleistet und erreicht haben.“
Die Ausstellungseröffnung am Sonntag nutzte deren Schirmherr, der ehemalige Arbeitsminister Guntram Schneider, um in freier Rede seine Sicht zu grundsätzlichen und augenblicklich aktuellen politischen Fragen vorzutragen. Zunächst stellte er die Bedeutung des Bergbaus und des bergmännischen Lebens für vielfach gelungene Integration ausländischer Arbeitskräfte heraus. Auf diesem Hintergrund schlug er den Bogen in die heutige Zeit und ging auf die Herausforderungen durch den Flüchtlingszustrom ein. Er zitierte den seiner Meinung schon historischen Satz der Kanzlerin „Wir schaffen das“ mit der Ergänzung: „Wenn wir das wollen.“
Dafür seien einige Voraussetzungen nötig. „Wir müssen uns auf die deutsche Sprache als Verkehrssprache für alle einigen, ohne eine Absage an die ursprüngliche Muttersprache auszusprechen“, betonte er. Dagegen formulierte er eindeutige Absagen an eine „Germanisierung“ oder eine deutsche „Leitkultur“. Alleiniger Leitfaden sei unsere Verfassung: „Es müssen nicht alle Menschen so ticken wie wir Deutschen.“ Gerade die Mehrsprachigkeit und kulturelle Vielfalt biete ungeahnte Möglichkeiten. Als gesellschaftliche Teilhabe biete die Integration in die Arbeitswelt große Chancen. Deshalb sei neben Bildung die Eingliederung in das Arbeitsleben äußerst wichtig zur Lösung der sogenannten Flüchtlingskrise.
Die Verweigerung des Familiennachzuges für Minderjährige bezeichnete er als kontraproduktiv zur Integration. „Die jungen Menschen, deren Leben hier auf der Ausstellung gezeigt wird, können ein Lied davon singen, was Heimweh, verstärkt durch die Trennung von den Eltern, bedeutet.“
Obergrenzen? Die fordert er auch, aber ganz anderer Art. „ Wie wär es mit einer Obergrenze für Unsinn, der geredet wird?“ Seitenhiebe in Richtung Bayern fehlten ebenfalls nicht: „Bayern wird uns manchmal als Symbiose aus Laptop und Leserhose verkauft. Hätte es in früheren Jahren nicht gerade wegen der Wirtschaftskraft von Bergbau und Stahlindustrie einen Finanzausgleich von NRW in Richtung Süden gegeben, wären die bei der Lederhose stehen geblieben.“
Infos:
Guntram Schneider
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trat 1965 der IG Metall bei, war seitdem in unterschiedliche Funktionen in der Gewerkschaftsbewegung tätig
ist seit dem 1. Mai 1971 Mitglied der SPD
wurde am 15. Juli 2010 Minister für „Arbeit, Integration und Soziales“ im Kabinett von Hannelore Kraft
legte am 1. Oktober 2015 auf eigenen Wunsch das Ministeramt nieder.