Im Zweifel: Nein!
(Mit Nachtrag vom 8.3.2016)
Um das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat gibt es einen schon länger schwebenden, erbitterten Streit. Es geht um die Einschätzung des Krebsrisikos. Und es geht um viel Geld, denn unstrittig ist: Wo das Gift hingespritzt wird, wächst meist kein Kraut mehr; auch lässt sich der Reifeprozess von Getreide damit steuern und schließlich sind Gentech-Pflanzen gegen den Wirkstoff resistent. Alles beste Voraussetzungen für Umsätze in Milliardenhöhe.
Die EU-Kommission schlägt den Mitgliedsstaaten vor, das Ackergift zuzulassen, und zwar für die nächsten 15 Jahre; keine acht, fünf oder weniger Jahre, wie es rechtlich möglich wäre. Die die EU-Abgeordneten wollen am 7.3. 2016 darüber entscheiden.
Bundesagrarminister Schmidt (CSU) – Berichterstatter für die Entscheidung der EU beruft sich auf ein Gutachten des Bundesamtes für Risikobewertung (BfR), das keinerlei Gefährdung sieht. Dieses Gutachten steht auf mehr als schwachen Füßen: Recherchen der „Süddeutschen Zeitung“ belegen, dass kritische Studien durch das BfR ignoriert und zugleich Leserbriefe der Industrie an Fachmagazine als Studien bewertet wurden. Man mag es kaum glauben, wundert sich allerdings nicht mehr, seit bekannt ist, in welchem Ausmaß die Autolobby z.B. im Bundestag ein- und ausgeht und Einfluss auch bei den Bundesämtern nimmt.
Beim Streit um das Krebsrisiko von Glyphosat handelt es sich nicht um vernachlässigbare Kleinigkeiten. Bei einer wissenschaftlichen Bewertung ist schon zumindest solides Arbeiten erforderlich. Daran hat es nach Ansicht von 100 internationalen Wissenschaftlern offenbar gefehlt. In einem Protestbrief, den sie dem zuständigen EU-Kommissar Ende 2015 übergeben haben, erheben sie erhebliche Vorwürfe gegen das BfR; z. B. enthalte die Bewertung des BfR schwerwiegende Mängel, das Gutachten sei in Teilen wissenschaftlich inakzeptabel und die Ergebnisse seien durch die vorliegenden Daten nicht gedeckt.
Als Verbraucher sollte man meinen, angesichts einer derart unklaren Entscheidungslage würden die beteiligten staatlichen Stellen mit besonderer Sorgfalt und unabhängig die Risiken bewerten, eine fundierte Risikoanalyse vornehmen und einen Entscheidungsvorschlag ggf. noch einmal überprüfen, ehe sie ihn zur Abstimmung vorlegen. Danach scheint es im Augenblick nicht auszusehen.
Sollte Glyphosat wie empfohlen zugelassen werden, wäre das ein weiteres Zeichen für die herrschende Logik: Im Zweifel haben die Interessen eines entgrenzten Kapitalismus Vorrang vor dem Schutz von Mensch und Umwelt.
Nachtrag:
Nach einer Meldung von SPIEGEL ONLINE vom 8.3.2016 – 16:12 Uhr haben sich die EU-Staaten „vorerst nicht auf eine Neuzulassung des umstrittenen Unkrautvernichters Glyphosat einigen können“. Zu einer Abstimmung ist es nicht gekommen, da sich bei den Beratungen abzeichnete, dass die nötige Mehrheit nicht zustande kommen würde. (K.N.)