Finger am Abzug – Eine Kolumne von Peter Grohmann

Finger am Abzug

Peter Grohmann

Von Peter Grohmann

Der alte Schriftsetzer findet die fünf Buchstaben für das Wörtchen „Fahne“ selbst bei Nacht im Setzkarten: Der Beruf ist tot, der Schriftsetzer lebt noch, der Setzkasten steht zum Verkauf. Und ich freu mich über die alten Handabzüge, die vor mehr als 60 Jahren auf der ersten Korrex-Andruckpresse in meiner Buchdruckerei entstanden: „Nie wieder Hiroshima“.Wir brauchten die Handabzüge. Als es den alten Hauptbahnhof in Stuttgart noch gab, kommunalen Wohnungsbau, eine linksradikale kommunale Polizei und noch keine Copyshops, war der belebte Platz vor dem Südeingang des Hauptbahnhofs ein gesuchter Ort für Demonstrationen – etwa eine 24-Stundenmahnwache vom 7. zum 8. August 1960, also mehr als 60 Jahren: „Nie wieder Hiroshima“.

Jetzt haben wir den Salat und die wieder die Finger am Abzug, die alten und die neuen Führer. Es juckt. Die Terrorbrüder, die Eskalateure und Demokratie-Unterwander aller Couleur vereinigen sich: Sieg oder Untergang. Wer die Wahl hat, hat die Qual, höre ich aus Zittau.

2008 war ich mit meiner Omi Glimbzsch in den Apuanischen Alpen. Wir sind alle keine großen Wanderer. Oberhalb der Marmorbrüche um Massa und Carrara liegt das Bergdörfchen Sant‘ Anna di Stazzema. An der Geschichte des aus kleinen Ortsteilen bestehenden Bergdorfs wären wir damals vermutlich ahnungslos vorbeigewandert, hätte es ein paar ältere Menschen nicht gegeben, ehemalige Kommunisten, die ihre Partei , aber nicht ihre Erinnerungen und ihr Klassenbewusstsein verloren hatten. Sie stoppen uns und erzählen…
Die Deutschen, oft als SS oder Wehrmacht verleugnet, hatten am 12. August 1944 alles, was lebte und nicht Deutsch war, am helllichten Tage ermordet, 500 Menschen, wird gesagt. Das war heute vor 80 Jahren.

Die Deutschen haben nach 1945 mit aller Gewalt und Macht verhindert, dass dieses und tausend andere Verbrechen aufgeklärt oder gar gesühnt wurden. Sie haben dafür alles Menschenmögliche unternommen. Daran wollte ich Euch erinnern, jetzt – heute, in diesen Tagen, wo die Machhabenden wieder die Finger am Abzug haben.

Wandern ist kein Ausweg.

Peter Grohmann * ist Kabarettist und Koordinator der AnStifter. Wir danken ihm für die Zustimmung zum Abdruck dieser Kolumne.
* peter-grohmann@die-anstifter.de