Das Festival der Liebe mit Dieter Thomas Kuhn und Kapelle
Von Diethelm Textoris
Gibt es ein schöneres Geschenk zum 80. Geburtstag als eins, mit dessen Hilfe man auf einen Schlag 50 Jahre jünger wird. Um Missverständnissen vorzubeugen: nicht körperlich, sondern rein mental, und auch nicht für immer, sondern lediglich für ein paar Stunden. Um das Mysterium es komplett aufzulösen. Ich habe zum meinem Geburtstag eine Karte zum Konzert von Dieter Thomas Kuhn geschenkt bekommen. Da das in Mönchengladbach stattfand, gleich mit Übernachtung, mit der Chance, das Erlebte und Gehörte noch einmal im Traum Revue passieren zu lassen.
Gut vorbereitet steige ich in Mengede in den Zug. Im Rucksack eine leichte Regenjacke, Wechselwäsche und als wichtigstes Utensil mein Discohemd aus den 70ern. Aus dem Rucksack ragt eine Sonnenblume hervor, am Morgen frisch bei Risse erstanden und jetzt aus einer Flasche mit Wasser versorgt. An der Hotelrezeption erkundige ich mich nach einem Bus zum „Sparkassenpark“ dem kleineren der beiden Stadien, das aber auch einigen Tausend Zuschauenden auf Sitz- und Stehplätzen Platz bietet. Ein Paar am Tresen hat meine Frage gehört und lädt mich ein, im Taxi mitzufahren. Das Angebot nehme ich gerne an.
Als ich aus dem Taxi steige, habe ich das Gefühl, mit einem Retro-Taxi nach Woodstock gefahren zu sein. Männer wie Frauen in schrill bunter Kleidung, Strohhüte, Blumenketten, Sonnenbrillen, Schlaghosen, Cowboyhüte und Hippie-Perücken. Es wird Zeit, dass ich schnell mein Gary-Glitter-Hemd anziehe um nicht aufzufallen.
Zwei Stunden vor Konzertbeginn herrscht bereits Partystimmung an Bierständen, Imbissbuden und auch am Urinal der Herren, einem Karree aus etwa drei Meter langen Rinnen, läuft alles bestens ab. Kurz vor Konzertbeginn habe ich meinen Sitzplatz auf der Tribüne eingenommen, blicke auf ein buntes Farbenmeer unter mir, wo tausende Gäste ihren Stehplatz gefunden haben. Auf der Bühne eine riesige Leinwand, auf der jetzt zum pünktlichen Konzertbeginn Dieter Thomas Kuhn und seine Kapelle zu sehen sind, und dann geht es sofort gewaltig los: „Sag mir Quando“ und nahezu überganglos „Hello again“. Gleich nach dem ersten Ton gerät Bewegung in das bunte Meer der Zuschauer. Andere Showgrößen brauchen Aufwärmzeit und mehrere Titel, um das Publikum in Stimmung zu bringen. Dieter schafft es mit den ersten Tönen und Textzeilen. Mitsingen, Textsicherheit und rhythmischen Tanz-Bewegungen vom ersten Augenblick an, 2,5 Stunden pausenlos anhaltend bis zum letzten Ton der zahlreichen Zugaben.
Im Programm fehlt keiner der Schlager-Klassiker der späten 60er und 70er Jahre. Mal ist „Eine neue Liebe wie ein neues Leben“, dann schwebt man „Über den Wolken“, da fliegt die Angebetete wie ein bunter Schmetterling als „Butterfly“ durch die Lüfte und der „Griechische Wein“ fließt zumindest musikalisch in Strömen.
Verwundert erinnert man sich daran, dass sich Rudi Carell vor Jahrzehnten einen knackig heißen Sommer gewünscht hat, unter dem wir nach dem Klimawandel heute leiden. Ja, „Es war Sommer“, auch die gefühlvollen Balladen wie Peter Maffays Erinnerung an „das erste Mal im Leben“ sind dabei, denn, „Tränen lügen nicht“ und für Emotionen braucht man sich nicht zu schämen. Kuhn als die von ihm entwickelte und seit den 90er Jahren immer wieder verfeinerte Kunstfigur versteht es meisterhaft, das Publikum in seinen Bann zu ziehen und nicht mehr loszulassen.
Trotz aller Professionalität im musikalischen Vortrag und in der Moderation voller Selbstironie, Spaß an den eigenen Späßen und auch an den auf die Bühne fliegenden BHs und Spitzenhöschen. Kult ist auch die Föhnwelle und das Brusttoupet. Visuelle Überraschungen im Großformat auf der Leinwand lassen den nostalgischen Charme vergangener Zeiten wieder aufleben. Perfektion auch bei der begleitenden Showband, die sich hier einfach Kapelle nennt, herausragend unter ihnen Gitarrist Howie, bürgerlich Philipp Feldtkeller, Kuhns Freund aus den Jugendtagen.
Auch nach dem Konzert sind Imbissbuden und Bierstände noch geöffnet. Auf einem der großen Parkplätze soll eine „After Show Party“ stattfinden. All das hätte mich früher sicher gereizt, aber jetzt nach 22.00 Uhr setzt sich die Altersantriebslosigkeit durch. Ich nehme mir ein „Retour-Taxi“ in die Neuzeit. Zurückblicken kann ich auf ein Konzerterlebnis, das Erinnerungen wach werden ließ und bei dem gemeinschaftliche Freude im Mittelpunkt stand.
Und schon jetzt ist der Wunsch da, im nächsten Jahr wieder an einem der Tourneeorte von Dieter Thomas Kuhn und Kapelle dabei sein zu wollen.