Mengedes vergessene NS-Opfer

Das „Russenlager Hansemann“

Von Detlef Adam – SPD OV Nette

Im Rahmen der nationalsozialistischen Kriegswirtschaft wurden während des Zweiten Weltkrieges im Steinkohlenbergbau des Ruhrgebiets auch Kriegsgefangene aus mehreren von der deutschen Wehrmacht besetzten europäischen Ländern eingesetzt. Die Zwangsarbeit in den Zechen stellte innerhalb der deutschen Kriegsgefangenschaft den härtesten Arbeitseinsatz dar. Besonders die russischen Gefangenen waren dort entsprechend der nationalsozialistischen Ideologie Bedingungen ausgesetzt, die sich am ehesten mit dem Begriff „Vernichtung durch Arbeit“ beschreiben lassen. Dementsprechend wies diese Gruppe eine überdurchschnittlich hohe Todesrate auf.

Es ist heute kaum noch bekannt, dass sich in Mengede an der Dönnstraße, dem späteren Betriebsgelände der Firma Nickel & Eggeling, das „Russenlager Hansemann“ befunden hat. In dem Lager waren zwischen 800 und 2.200 russische Kriegsgefangene inhaftiert. Hinsichtlich ihrer Behandlung gab es keine Unterschiede zu anderen Lagern. Auch in diesem Lager waren die Gefangenen der Willkür des Wachpersonals ausgeliefert, wie ein Zeitzeuge beobachten konnte. Die nicht mehr arbeitsfähigen Menschen wurden zurück in das Stammlager in Hemer gebracht. Nach Kriegsende wurde das Barackenlager beseitigt und das Grundstück einer neuen Bebauung zugeführt.

In einem kürzlich veröffentlichten gemeinsamen Positionspapier weisen führende Archäologen aus Deutschland und Österreich auf die kontinuierlich abnehmende Zahl von Zeitzeugen hin und betonen dabei die zunehmende Bedeutung archäologischer Untersuchungen ehemaliger Standorte von NS-Lagern. Daher sind Funde aus ehemaligen NS-Zwangslagern für das Verständnis des Grauens der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft von unschätzbarem Wert. Die Realisierung von Baumaßnahmen, wie sie auch auf der Fläche in Mengede geplant sind, eröffnet die Möglichkeit, durch entsprechende Untersuchungen neue Erkenntnisse zu gewinnen.

Die beiden Netter Sozialdemokraten, Ratsvertreter Detlef Adam und Bezirksvertreter Richard Utech, bitten nun die Verwaltung um Auskunft darüber, ob auf dem betreffenden Gelände bereits eine archäologische Voruntersuchung stattgefunden hat oder zumindest vorgesehen ist.
Die Anfrage wurde zur nächsten Sitzung der Bezirksvertretung Mengede eingereicht, die am 11.09.2024 um 16:00 Uhr in der Bezirksverwaltungsstelle Mengede, Am Amtshaus 1, stattfindet.

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Zeitzeugenbericht

von Heinz Garus (06.05.1931-29.08.2011)
in „Die Zeche Adolf von Hansemann/ Die Geschichte des Bergwerks in Dortmund-Mengede“. Klartext Verlag Essen 1995.

…Es war ein kalter Wintertag und wir tobten uns an den Hängen der Steinhalde aus.. … Da kamen über den Weg, der zum Luftschutzstollen in der Steinhalde führte, zwei Männer herunter. Da wir wussten, daß das Zechengelände für uns ein verbotener Spielplatz war, beobachteten wir zunächst die beiden Gestalten. Als wir die Männer als einen Kriegsgefangenen mit einem Wachmann aus dem auf der Ostseite befindlichen Kriegsgefangenenlager erkannten, schenkten wir diesen beiden weniger Aufmerksamkeit, denn es waren keine Angestellten der Zeche oder gar gar der „Schlammkönig“, ein Arbeiter, der die Aufsicht in diesem Bereich führte und un unserenn Spielplatz immer streitig machte. … Der eine trug die Uniform eines Unteroffiziers der Wehrmacht, der andere eine der zerlumpten, erdfarbenen Uniformen der Roten Armee, auf der mit weißer Farbe die Buchstaben SU gepinselt waren. Wir Kinder schenkten den beiden kaum Beachtung, bis ein scharfer Knall die Nachmittagsstunde durchschnitt. Aber was war zur damaligen Zeit ein Knall, in einer Zeit, wo zu jeder Stunde Tiefflieger eine ganze Salve zur Erde oder die Flak ohne Vorwarnung ihre todbringenden Geschosse gen Himmel schickte. Danach wurden wir aber stutzig, als wir sahen, daß nur der Wehrmachtsangehörige den Weg zurückkam und noch an der Pistolentasche hantierte. Bei näherem Hinsehen konnten wir erkennen, daß auf dem Weg vor dem Splitterauffang in dem Gras eine Gestalt lag. Wir wollten uns davon machen, aber der Soldat winkte einen von uns … zu sich, und beauftragte ihn, keinen an die Stelle, an der der Getötete – denn er war tot – lag, heranzulassen. Es dauerte keine zehn Minuten, bis der Wachmann mit einer Bahre aus Zinkblech, wie sie im Bergbau Verwendung finden, und zwei Trägern zurückkam. Es wurde gesagt, der Russe habe Flecktyphus gehabt. … Monate später … fanden wir auf dem Stück zwischen dem Gütergleis nach Bodelschwingh und der Köln-Mindener-Eisenbahn zwei oder drei Gräber, die mit Holzkreuzen markiert waren. Wahrscheinlich hatte der Erschossene hier seine letzte Ruhe gefunden, im Haldenschutt einer Bergwerksanlage. Nach einigen Monaten war ich erneut auf dem Gelände. Ich sah keine Kreuze mehr, und statt der Gräber fanden sich körpergroße Mulden. In der Zwischenzeit waren die Unbekannten wohl umgebettet worden. Wohin, kann ich nicht sagen. …