Die Emschergenossenschaft schenkte am Freitag die jüngsten Jahrgänge ihres Rot- und Weißweins aus Dortmund aus. In Castrop-Rauxel entsteht derweil der größte Emscher-Weinberg: 6700 Reben wurden bereits am Wasserkreuz angepflanzt
Dortmund eine Weinstadt? Bei dem Gedanken werden die meisten Dortmunder*innen schmunzeln und zum markant leuchtenden „U“ auf dem Dach der alten Union-Brauerei blicken. Ganz klar: Dortmund ist doch eine Bierstadt. Doch so ganz eindeutig ist es nicht: Im 15. Jahrhundert hat es nachweislich Weinanbau in der Dortmunder Umgebung gegeben und seit genau zwölf Jahren lässt die Emschergenossenschaft unter Beteiligung zahlreicher Bürgerinnen und Bürger diese Tradition wiederaufleben. „Weinberge direkt an den renaturierten Emscher-Gewässern symbolisieren das neue Lebensgefühl im Emscher-Gebiet. Die Emscher und ihre Lebensläufe sind dank des Emscher-Umbaus nicht länger offene Schmutzwasserläufe, sondern bieten mit ihrer neuen blaugrünen Infrastruktur die Möglichkeit, die Flusslandschaften auf eine ganz neue Art und Weise zu genießen“, sagt Dr. Frank Dudda, Vorsitzender des Genossenschaftsrates der Emschergenossenschaft und Oberbürgermeister der Stadt Herne.
Vor zwölf Jahren (2012) hatte die Emschergenossenschaft die Tradition des Weinanbaus im Ruhrgebiet wiederaufleben lassen – mit einem ersten Weinberg an der renaturierten Emscher am Phoenix See (Rebsorte: Phoenix, Weißwein, 97 Reben), als Symbol der neuen Lebens- und Aufenthaltsqualität an der früheren „Köttelbecke“. 2018 folgte der zweite Weinberg am Rüpingsbach in Dortmund. 420 Reben der roten Rebsorte Cabaret Noir wurden hier gepflanzt und werden seitdem gemeinsam mit den Bürger*innen vor Ort gepflegt und geerntet – denn: Dieser Weinberg war von Beginn an ein „Mitmach“-Weinberg! „Mit unserer Initiative ,Mach mit am Fluss‘ bieten wir Möglichkeiten der Partizipation und begeistern damit die Bürgerinnen und Bürger für Themen wie Natur- und Umweltschutz – denn: Der Ende 2021 abgeschlossene Emscher-Umbau hatte neben der Abwasserfreiheit immer auch das Ziel, den Menschen in der Region ihre Flüsse zurückzugeben“, sagt Prof. Dr. Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender der Emschergenossenschaft.
Im vergangenen Jahr griff auch die Stadt Herne die Idee des Mitmach-Weinanbaus im Emscher-Gebiet auf und pflanzte am Gysenberg oberhalb des Ostbachs gemeinsam mit der Emschergenossenschaft und der wewole-Stiftung rund 500 Rebstöcke der Rosésorte Cabernet Cortis. „Der Klimawandel stellt uns vor Herausforderungen, auf die wir uns einstellen müssen. Wir erwarten zukünftig das Klima des Burgunds in unseren Breitengraden. Daher ist es gar nicht so abwegig, über das Emscher-Gebiet als Weinregion nachzudenken. Das bereichert die künftig grünste Industrieregion der Welt nur um eine weitere tolle Eigenschaft“, sagt Dr. Frank Dudda.
Größter Emscher-Weinberg in Castrop-Rauxel
Während sich die ersten beiden Emscher-Weinberge in Dortmund bereits bestens entwickelt haben, befindet sich der neueste Weinberg in der Nähe des Wasserkreuzes in Castrop-Rauxel noch in der Entwicklungsphase. Der im vergangenen Jahr eingeweihte Natur- und Wasser-Erlebnis-Park hat zwischen Emscher und Rhein-Herne-Kanal einen langgezogenen Hang entstehen lassen, dessen Südwestseite die ideale Ausrichtung für Weinbau hat und zudem noch malerisch gelegen ist. Dort hat ein Team aus der Pfalz mit einer GPS-gesteuerten Spezialmaschine und unterstützt von den ersten Mitmachwinzer*innen in diesem Jahr 6700 Reben gepflanzt, die schon kräftig austreiben und gepflegt sein wollen. Übrigens: Den ersten Rebstock für den neuen Weinberg hatte bereits im September 2022 Bundeskanzler Olaf Scholz beim offiziellen Festakt zum Abschluss des Emscher-Umbaus eingesetzt!
Ökologisch angebauter Wein fördert die Artenvielfalt
Der an der Emscher ökologisch angebaute Wein schmeckt übrigens nicht nur gut, er fördert auch die Artenvielfalt: Der Boden wird kaum bis gar nicht maschinell bearbeitet, dadurch ist er gesünder: ein idealer Lebensraum für insektenfreundliche Begrünungspflanzen, die beim ökologischen Weinanbau angepflanzt werden, weil sich durch sie unter anderem wichtige Nützlinge wie Marienkäfer, Spinnen, Ohrwürmer etc. vermehrt ansiedeln.
Die Emscher-Weinberge sind letztlich mehr als nur Symbole des Strukturwandels und der neuen Lebens- und Aufenthaltsqualität in der Region – sie repräsentieren die vielen Möglichkeiten, die das durch den Emscher-Umbau neu entstandene blaugrüne Leben im Herzen des Ruhrgebietes bietet: „Wenn wir an den Ufern eines Flusses, der 170 Jahre lang als Industrie-Kloake dienen musste, Wein anbauen können, dann ist hier im Ruhrgebiet noch vieles mehr möglich“, sagt Uli Paetzel.
Herausforderungen gibt es genug, z.B. die Anpassung an die zu erwartenden Folgen des Klimawandels. Und hier schließt sich auch ein Kreis, denn der vor zwölf Jahren gestartete Weinanbau an der Emscher war zunächst ein anschauliches Forschungsprojekt zum Nachweis des Klimawandels – denn nur durch die im Mikrobereich gestiegenen Temperaturen ist die Nordwanderung des Weinanbaus bis ins Ruhrgebiet überhaupt erst möglich geworden! Oder wie Dr. Frank Dudda es bereits sagte: „Wir erwarten zukünftig das Klima des Burgunds in unseren Breitengraden.“
Info-Kasten: Mitmach-Möglichkeiten
Um die Rückkehr des Weinbaus im Ruhrgebiet möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen, bietet die Emschergenossenschaft seit diesem Sommer im zweiwöchigen Rhythmus montags Mitmachtreffen am Weinberg in Castrop-Rauxel an. Winzerin Tina Krachten wird zum Start eines jeden Treffens die anstehende Arbeit erläutern und dann darf angepackt werden – in netter Atmosphäre und mit viel Gelegenheit zum Fragen stellen! Die Treffen sind offen für alle, Kosten entstehen keine, benötigt wird lediglich wetterangepasste Kleidung. Der nächste Termin ist am 16. September (16 Uhr), Anmeldungen sind möglich per E-Mail an tk@allmende-emscherlippe.de.
125 Jahre Emschergenossenschaft
Die Emschergenossenschaft feiert in diesem Jahr ihr 125-jähriges Bestehen. Am 14. Dezember 1899 als erster deutscher Wasserwirtschaftsverband gegründet, ist die Emschergenossenschaft heute gemeinsam mit dem 1926 gegründeten Lippeverband Deutschlands größter Betreiber von Kläranlagen und Pumpwerken. Die Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Unternehmens sind die Abwasserentsorgung, der Hochwasserschutz sowie die Klimafolgenanpassung. Ihr bekanntestes Projekt ist der Emscher-Umbau (1992-2021), bei dem die Emschergenossenschaft im Herzen des Ruhrgebietes eine moderne Abwasserinfrastruktur baute. Dafür wurden 436 Kilometer an neuen unterirdischen Abwasserkanälen verlegt und vier Großkläranlagen gebaut. Rund 340 Kilometer an Gewässern werden insgesamt renaturiert. Parallel entstanden über 130 Kilometer an Rad- und Fußwegen, die das neue blaugrüne Leben an der Emscher und ihren Nebenläufen erleb- und erfahrbar machen.
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